Zinsentwicklung 2014: EZB senkt Leitzins überraschend auf fast null

Anfang September setzte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf ein neues historisches Tief von 0,05 Prozent und überraschte die Ökonomen. Diese hatten bei der Zinsprognose 2015 keine neuen Maßnahmen erwartet, da noch im September das im Juni verabschiedete neue Langfristkreditprogramm für die Banken startet. Die Senkung des Leitzinses ist die Reaktion der EZB auf die sehr niedrige Inflation. Im Zuge der erneuten Leitzinssenkung können sich die Geschäftsbanken so günstig wie noch nie Geld leihen und vermehrt Kredite an die Unternehmen und Haushalte weitergeben. Auf diese Weise soll die Kaufkraft wachsen und eine höhere Nachfrage entstehen, welche die Konjunktur ankurbelt. Mit dieser Zinsentwicklung 2015 sollten in der Folge auch die Preise wieder steigen.

So ist der Plan der EZB, die Realität sieht aktuell aber anders aus: Im August hatten sinkende Energiepreise die Inflation im Euroraum weiter auf 0,3 Prozent gedrückt ? den niedrigsten Stand seit Oktober 2009. Für dieses Jahr erwartet die EZB eine Inflationsrate von 0,6 Prozent, im nächsten Jahr 1,1 Prozent und für 2016 1,4 Prozent. Damit liegen auch die Prognosen deutlich unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter 2,0 Prozent. Die geringe Teuerungsrate schürt die Angst vor einer Deflation, also einer Abwärtsspirale aller Preise. Als Folge könnten Unternehmen und Verbraucher ihre Investitionen und Anschaffungen in die Zukunft verschieben, weil sie auf weiter sinkende Preise hoffen und die Wirtschaftsleistung noch stärker abnimmt.

Aktuell ist die Konjunktur im Euroraum bereits schwächer, als es optimistisch gestimmte Ökonomen noch zu Jahresanfang glauben wollten, und die wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise sind noch nicht abschätzbar. Schon im Frühjahr hatte die Wirtschaftsleistung vieler Länder in der Eurozone stagniert: Griechenland, Portugal und Spanien leiden unter den harten, aber zwingend erforderlichen Reformen, den damit verbundenen rigiden Sparauflagen und der hohen Arbeitslosigkeit. Frankreich und Italien kämpfen ebenfalls mit Konjunkturschwächen.

Weitere Hilfsmaßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Um die Konjunktur der Europäischen Union zu stärken, wurde zudem entschieden, dass ab Oktober der Aufkauf von besicherten Unternehmenskrediten, sogenannten ABS (Asset Backed Securities)-Papieren und Pfandbriefen, gestartet werden soll. Mit dieser Maßnahme möchte die EZB einerseits mehr Geld in die Wirtschaft pumpen, andererseits könnten die Geschäftsbanken mit der Verbriefung der Kreditforderungen ihre Bilanz entlasten. Dies würde den Banken neue Spielräume zur Kreditvergabe verschaffen. Kritiker bezweifeln allerdings die Wirkung einer solchen Aktion und warnen vor den damit verbundenen Risiken. Sollten Kredite ausfallen, würden die Steuerzahler in Europa dafür bezahlen, da sie für die Verluste der EZB aufkommen müssten.

„Unsere Vorbereitungen für Käufe am Markt für forderungsbesicherte Wertpapiere schreiten schnell voran“, hatte Draghi in den letzten Monaten mehrfach wiederholt. Diese Aussage wird dadurch unterstützt, dass Blackrock, der weltgrößte Vermögensverwalter, die Notenbank bei der Gestaltung und Umsetzung eines Ankaufprogramms von Kreditpapieren beraten soll. Allerdings fiel die Entscheidung für dieses Programm nicht einstimmig aus, wie Draghi auf der Pressekonferenz sagte. Nach Meinung vieler Ökonomen sind auch unkonventionelle Maßnahmen wie breit angelegte Anleihekäufe, „Quantitative Easing“ (QE) genannt, wieder wahrscheinlicher geworden. Diese dienen als letztes Mittel gegen eine drohende Deflation. Draghi führte deshalb aus, die EZB werde sich notfalls „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ gegen eine Deflationsspirale stemmen. Unterstützend wurde der im Juni eingeführte Strafzins für Übernachteinlagen der Banken bei der EZB von -0,1 Prozent auf -0,2 Prozent angehoben und der Spitzenrefinanzierungssatz für kurzfristige Kredite von 0,4 Prozent auf 0,3 Prozent gesenkt.

Baufinanzierungszinsen in den letzten vier Wochen wieder gesunken

Nach einem Zwischentief bei der Zinsentwicklung 2014 Mitte Juli sind die Baufinanzierungszinsen Ende August erneut auf ein neues Rekordtief gesunken. Damit bleiben die Finanzierungsbedingungen für Bauherren, Käufer und Kunden, die eine Anschlussfinanzierung benötigen, in Deutschland nach der erneuten Leitzinssenkung der EZB historisch günstig. Kurzfristig ist eine Trendwende nicht absehbar, langfristig ist die Wahrscheinlichkeit für einen Anstieg des Zinsniveaus aber hoch. „Bis die Hilfsmaßnahmen der EZB Wirkung zeigen und die Wirtschaft tatsächlich angekurbelt wird, werden sich die Baufinanzierungszinsen auf dem niedrigen Niveau schwankend seitwärts bewegen“, so Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG. Baufinanzierungskunden sollten das niedrige Zinsniveau nutzen, um Darlehen mit einer langen Zinsbindung und einer erhöhten Tilgung von mindestens 2,0 Prozent abzuschließen, um Planungssicherheit zu schaffen und schneller schuldenfrei zu werden, empfiehlt Gawarecki. Aber nicht nur das Zinsniveau sollte die Entscheidung für den Neubau oder Kauf einer Immobilie beeinflussen, sondern auch ein passendes Objekt in guter Lage, ein ehrlicher Kassensturz und eine individuelle Finanzierungsstruktur, welche die weitere Lebensplanung berücksichtigt.

Tendenz Zinsentwicklung 2014:
Kurzfristig: schwankend seitwärts
Langfristig: steigend

Quelle: Kommentar zur Zinsentwicklung 2015 der Dr. Klein & Co. AG vom 19. September 2014

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