Kommentar zum Zinsniveau 2013: Der wundersame Wandel der EZB

Politiker sind zu Statisten verkommen
Seit nunmehr zwölf Monaten führt Mario Draghi die Europäische Zentralbank (EZB). In dieser kurzen Zeit ist es ihm gelungen, die auf dem Erbe der deutschen Bundesbank aufgebaute Rolle des obersten Währungs- und Inflationshüters völlig neu zu definieren. So hat er bereits kurz nach seinem Amtsantritt den europäischen Banken mehr als 1.000 Milliarden Euro an Liquidität zur Verfügung gestellt und damit das endgültige Signal gesendet, dass Europas Banken im Zweifelsfall von der Notenbank gerettet würden. Da grundsätzlich für solche Maßnahmen eigentlich die Eigentümer der Banken (also deren Aktionäre) beziehungsweise in einem nächsten Schritt vielleicht noch einzelne Staaten durch Verstaatlichung der Institute verantwortlich wären, handelt es sich hier um eine dramatische Neudefinition der Aufgaben einer Notenbank. Aber damit nicht genug: Mit der Ankündigung „unbegrenzter“ Aufkäufe von Staatsanleihen schwacher Euroländer hat Herr Draghi im September noch einen weiteren Schritt ins Risiko unternommen, um jetzt auch die Liquidität der Staaten sicherzustellen. Während die europäischen Politiker also seit vier Jahren und fast 30 EU-Gipfeln in mühsamer kleinteiliger Konsensarbeit versuchen, die Krise in den Griff zu bekommen, hat ein Mann mit zwei radikalen Schritten das System vorübergehend stabilisiert. Kein Wunder also, dass Mario Draghi heute als mächtigster Mann Europas gilt und die Politiker zu Statisten verkommen. Doch wer kontrolliert Herrn Draghi eigentlich? Und in wessen Auftrag handelt er? Während sich die Politik noch den Fragen ihrer Parlamentarier und Wähler stellen muss, hat der EZB-Präsident völlig freie Hand, indem er sich auf sein Mandat beruft für „monetäre Stabilität“ zu sorgen. Dass dabei die Bilanzsumme der EZB inzwischen von rund 1.000 Milliarden Euro vor der Krise auf 4.000 Milliarden Euro angewachsen ist und die Euro-Mitgliedsländer (und damit die Steuerzahler) für die EZB haften, wird stillschweigend von allen Beteiligten in Kauf genommen. Wie lächerlich wirken da die 400 Milliarden Euro, die nach mühsamen Verhandlungen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) die Stabilität wieder herstellen sollen. Welche demokratische Legitimation hat die EZB eigentlich für eine Erhöhung der Bilanzsumme um 3.000 Milliarden Euro? Geradezu skurril wirkt es da, wenn deutsche Abgeordnete sich dankbar freuen, dass Herr Draghi einige Stunden Zeit findet, um mehreren Parlamentsausschüssen im Nachhinein sein Handeln zu erklären. Kein Wunder also, dass mit Axel Weber und Jürgen Stark bereits im vergangenen Jahr die glaubhaftesten Repräsentanten der Bundesbank-Tradition in der EZB das Handtuch geworfen haben. Und der aktuelle Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist im EZB-Präsidium völlig isoliert und wird als einziger Opponent gegen die Machtübernahme der Schuldnerländer innerhalb der EZB selbst von deutschen Regierungsmitgliedern als Verhinderer und Nörgler dargestellt. Unvorstellbar noch vor einigen Jahren, dass der größte Nettozahler und der größte Garantiesteller im Eurosystem praktisch keine Stimme mehr im inzwischen mächtigsten Instrument der Europolitik haben würde.

Sparer werden enteignet
Draghi ist mit Unterstützung Italiens, Frankreichs und Spaniens an die Spitze der EZB gekommen. Die Machtübernahme hat perfekt funktioniert. Ähnlich wie in den USA, England und Japan besteht inzwischen auch in Europa eine Allianz zwischen Politik und Notenbank. Die Lösung einer historischen Schuldenkrise wird primär über die Gelddruckmaschinen der Zentralbanken gefahren. Nullzinspolitik soll die Finanzierungskosten der Staaten extrem tief halten und Inflation wird dabei in Kauf genommen bzw. sogar gefördert, um die Staatsschulden zu entwerten. Dass dabei die Sparer über Anlagezinsen, die jetzt schon deutlich unter der Inflationsrate liegen, schleichend enteignet werden, ist Teil des Plans. So findet der Vermögenstransfer von den Sparern zu den Schuldnern statt. Da viele Anleger inzwischen verstanden haben, welches Spiel gespielt wird, versuchen sie durch den Kauf von knappen Realgütern die Kaufkraft ihres Geldes zu schützen. Rasant steigende Immobilienpreise in den besten Lagen, hoher Gold- und Silberpreis, steigende Preise bei Kunst und sogar bei Oldtimern, sind die Vorboten einer breiteren Bewegung, die kommen wird.

Die EZB wird in diesem Sinne weiter alles dafür tun, um das System mit Liquidität zu versorgen. Das Zinsniveau 2013 und damit auch die Geldmarktzinsen für Sparer werden sich noch mehr dem Nullpunkt nähern. Mit taktischen Maßnahmen wird die Notenbank aber auch weiterhin versuchen die langfristigen Kapitalmarktzinsen tief zu halten bzw. für die Schuldenstaaten nach unten zu leiten. Dazu wird noch tiefer in die Trickkiste gegriffen werden. Fest steht, dass Deutschland in jedem Fall zum größten Zahler für das Eurogebiet werden wird, egal ob durch einen Schuldenschnitt in Griechenland, Portugal oder Spanien oder einfach durch hohe Transferzahlungen. Dies wird mittelfristig auch am Status von Deutschland als Hort der Stabilität knabbern und die langfristigen Kreditkosten für Deutschland im Vergleich zu den Schuldnerländern wieder erhöhen.

Eigenheim ist weiterhin eine gute Sicherheit
Finanzierungskunden können daher weiter und auch in den nächsten Monaten von sehr attraktiven Hypothekenzinsen profitieren. Die Investition in das Eigenheim bleibt eine der besten Möglichkeiten, in dem beschriebenen Rahmenbedingungen für Sicherheit zu sorgen. Die Finanzierung sollte aber auch bei diesen tiefen Zinsen mit einem ordentlichen Eigenkapitalanteil und mit einer Tilgungsleistung von mindestens zwei Prozent strukturiert sein, um in einem überschaubaren Zeithorizont von 20 bis 25 Jahren die Schuldenfreiheit zu erreichen. Den leichten Zinsrückgang der vergangenen Woche gilt es zu nutzen und bestehende Anschlussfinanzierungen sollten abgesichert werden.

Quelle: Kommentar zum Zinsniveau 2013 der Interhyp AG vom 02.11.2012

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