Zinsentwicklung 2016: Rekordtief im Sommer mit Bestkonditionen unter 1 Prozent

?Konditionen bewegen sich auf Niveau des Allzeittiefs
?EZB führt expansiven geldpolitischen Kurs fort
?Bauzins-Trendbarometer: kurzfristig seitwärts, langfristig leicht aufwärts

Michiel Goris, Vorstandsvorsitzender der Interhyp AG: „Fehlende eindeutige positive Impulse an den Märkten haben im Juli die Konditionen für Immobiliendarlehen auf extrem günstigem Niveau seitwärts tendieren lassen. Die Zinsen für zehnjährige Darlehen liegen Anfang August oft nur bei etwas über einem Prozent. Bestkonditionen unter einem Prozent sind bei hohem Eigenkapitalanteil möglich. Baugeld ist damit so günstig wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Die aktuelle Nachrichtenlage und die Einschätzungen der im Rahmen des Interhyp-Bauzins-Trendbarometers befragten Experten lassen erwarten, dass die Kreditbedingungen für Immobilienkäufer und Bauherren in den nächsten Wochen ausgezeichnet bleiben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrer jüngsten Sitzung Mitte Juli den Leitzins unverändert bei null Prozent belassen und eine Fortführung der expansiven Geldpolitik angekündigt. Sowohl der nahende Brexit als auch die Bankenkrise in Italien, die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA und die weltweit lahmende Konjunkturentwicklung drücken auf die Renditen deutscher Staatsanleihen und damit die Bauzinsen. Erst mittel- bis langfristig sind etwas höhere Zinsen zu erwarten.“

Wer Gründe für die niedrigen Bauzinsen in Deutschland finden möchte, muss nicht lange danach suchen. Eine Ursache bleibt die anhaltende Melange aus schwachem Wirtschaftswachstum in Europa, fehlender Konsumfreude und niedriger Inflation. Diese Mischung führt einerseits zu einer expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Andererseits investieren viele Anleger in deutsche Staatsanleihen, da Deutschland seit Jahren vergleichsweise solide dasteht und als sicherer Hafen gilt. Dies führt zu niedrigen Renditen bei deutschen Staatsanleihen bis in den negativen Bereich, wodurch wiederum Banken ausgegebene Kredite günstig refinanzieren können.

Ein Blick auf ausgewählte Daten bestätigt dieses Bild von relativer Stärke Deutschlands und dem sich nur schleppend erholenden Europa. Die Inflation lag in Deutschland im Juli bei 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in der Eurozone bei 0,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt im Euroraum laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat aktuell bei 10,1 Prozent – wobei die Zahlen in Deutschland deutlich besser sind. Laut der Bundesagentur für Arbeit liegt die Arbeitslosenquote in Deutschland aktuell bei sechs Prozent. Das Konsumklima hat sich zuletzt in der gesamten EU leicht aufgehellt. Für eine deutliche Trendwende an den Märkten reicht es jedoch derzeit noch nicht. Vor diesem Hintergrund gehen alle im Interhyp-Bauzins-Trendbarometer befragten Experten kurzfristig von gleichbleibenden Konditionen aus.

Laut dem Zinsexperten der HypoVereinsbank lasten „vorerst und bis in den Herbst hinein hohe konjunkturelle und vor allem politische Risiken wie das Verfassungsreferendum in Italien und die US-Präsidentschaftswahl auf der Marktstimmung. Der jüngste Ölpreisverfall steht einem Renditeanstieg ebenfalls entgegen. Das Wertpapierkaufprogramm wirkt wie eine dauerhafte Stütze für den Rentenmarkt.“ Ähnlich sieht es die Commerzbank und analysiert: „Die europäischen Rentenmärkte haben sich vom Schock des Referendums in Großbritannien schnell erholt. Die Renditen von Bundesanleihen konnten sich aufgrund des steigenden Risikoappetits etwas von ihren Tiefständen lösen. Der Fokus bei der Zinsentwicklung 2017 richtet sich allerdings wieder auf das schwache globale Wachstum und die niedrige Inflation. Somit dürften die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen noch einige Monate im negativen Bereich verharren, auch wenn sich die Risikostimmung sukzessive weiter aufhellen dürfte.“

Die Postbank erwartet eine hohe Nachfrage nach Staatsanleihen, die die Kapitalmarktzinsen auf sehr niedrigem Niveau verankert: „Die EZB dürfte ihre Leitzinsen zwar nicht weiter senken, angesichts der gestiegenen Unsicherheit aufgrund des Votums der britischen Bevölkerung für einen Austritt des Landes aus der EU jedoch in den kommenden Monaten, wahrscheinlich im September, beschließen, ihr Anleiheankaufprogramm über März 2017 hinaus zu verlängern.“ Deshalb sollten das Zinsniveau 2016 für langfristige Hypothekendarlehen auf absehbare Zeit sehr niedrig bleiben.

Auch der Experte der Allianz sieht kaum Impulse und erwartet „kurzfristig keine Änderung, denn die US-Notenbank hält die Zinsen konstant und der Brexit ist in der Erwartung der Marktteilnehmer berücksichtigt.“ Der Chefvolkswirt der ING-DiBa rechnet ebenfalls mit keinen nennenswerten Veränderungen. „Es sieht im Moment so aus, als ob es nach Jahren von Sommerkrisen endlich mal wieder ein richtiges Sommerloch an den Märkten geben könnte. Erst Ende August werden Spekulationen über mögliche Zinsschritte der Fed und weitere Lockerung der EZB wieder aufleben.“ Seitens der PSD Bank RheinNeckarSaar heißt es: „Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Brexit-Entscheidung auf die Eurozone sind noch nicht absehbar. Eine nachlassende Wachstumsdynamik sowie die Entwicklung der Inflationserwartungen werden aus unserer Sicht eine weiterhin expansive Geldpolitik der Notenbanken nach sich ziehen. Wir gehen weiterhin von anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen in der Wohnbaufinanzierung aus.“

Quelle: Zinsbericht zur Zinsentwicklung 2017 der Interhyp AG vom 04.08.2016

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